Im Blick hat sie seit mehr als 20 Jahren allerdings alle Trends und Trendchen – und weiß auf Anhieb, was angesagt ist. „Ich schaue mir immer die Oscarverleihungen an“, weiß sie, dass dort die Abendmode der kommenden Saison zu besichtigen ist. „Dafür schlage ich mir gerne die Nacht um die Ohren.“ Als Angelina Jolieim vergangenen Winter mit hoch geschlitztem Kleiderschien, war klar, was modisch kommen würde. Die Messen ein paar Monate später zeigten es: Schlitz ist Trumpf – und Brigitte Cramerorderte.
Allerdings hat sie unter ihren vielen hundert Roben nur wenige gleiche. Keine Ballkönigin soll einer anderen im gleichen Outfit begegnen. „Ich schreibe mir immer auf, welche Kleider ich für welche Bälle verkauft habe.“ In diesem Jahr wurde bei ihr erstmals für festliche Weihnachtsfeiern gekauft. „Das gab es bisher so noch nicht. Der Trend, sich zu stylen, schwappt von Amerikaimmer mehr herüber.“
Apropos Trends. Ganz groß ist in diesem Jahr der so genannte Nude-Look – Hautfarbenes, teils unter Spitze gelegt. Brigitte Cramer zieht ein Cocktailkleidchen heraus, das man eher in der Abteilung „Unterröcke“ vermutet hätte. Solche Teile sind heikel. „Bei den meisten nimmt es alle Farbe raus – aber manche sehen darin elfengleich aus.“ Sie hat besonderen Spaß daran, Mädchen und Frauen anzuziehen, die nicht gängigen Schönheitsidealen entsprechen. „Dafür nehme ich mir auch mal außerhalb der Ladenöffnung Zeit.“ Denn für Brigitte Cramer ist klar: Modeist kein eiliges Geschäft. „Zehn Kleider muss man mindestens anprobieren, eine Stunde Zeit mitbringen“, rechnet sie für einen Ballroben-Kauf. Sie versucht in dieser Zeit, die Persönlichkeit der Kundin zu erspüren. Denn Trends hin oder her – ein Kleid muss zur Trägerin passen. „Wenn eine Frau dann vor dem Spiegel steht und sich anstrahlt – das macht mir ein Gänsehautgefühl.“
Aber vor diesen Preis ist der Schweiß gesetzt. Gerade bei Kleidern für ganz junge Mädchen reden natürlich die Mütter mit – und da kann ein Einkauf schnell zur Pubertätskrise werden. Bei den Vätern geht es entspannter zu – die wollen vor allem ihre Ruhe. „Neulich hatte ich einen Vater aus Hiltrup, der sagte: Wenn ich bei Ihnen kaufe, muss ich nicht so viel rumlaufen – mangels Konkurrenz am Ort.“ Trotzdem werden die meisten fündig. Schließlich hängen hunderte Ballträume im „Gittis Mode und Schmuck“.
Was aber trägt die Inhaberin selbst, wenn sie mal ganz groß ausgeht? Brigitte Cramer lacht ein bisschen verlegen und zieht ein klassisches Meerjungfrauenkleid heraus – schwarz, schulterfrei, eng anliegend bis ans Knie, dann in weiten Godets aufspringend wie zu einem Fischschwanz – ein Kleid für Diven schon in den 20er Jahren. Denn Trend hin oder her, letztendlich zählt nur eins bei einer Ballrobe: „Man muss sich in das Kleid verlieben!“
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