Gockel: Ich lege Wert auf gesunde Models und will keine Hungerhaken. Wer für meine Premium-Kollektion laufen will, muss mindestens einen Hüftumfang von 92 Zentimetern haben. Außerdem mache ich in meinem Atelier seit 13 Jahren Maßanfertigung in Übergrößen – ich weiß also, wovon ich rede. Ich selbst habe Kurven, bin 1,77 Meter groß und trage Größe 40. Meine Atelierleiterin ist eine 54. Das ist extrem wertvoll für die Arbeit an den größeren Entwürfen.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit an der Premium- von der an der Übergrößen-Kollektion?
Gockel: Viele Ideen aus der Premium-Kollektion habe ich übernommen. Aber nicht alles sieht in einer 48 noch gut aus. Man muss natürlich die Proportionen anpassen. Die Tuniken sind beispielsweise 10 bis 20 Zentimeter länger. Wichtig ist auch eine andere Nahtführung, um Problemzonen zu kaschieren. Kurze Röcke werden nur mit Leggings kombiniert. Das sind kleine Tricks, die viel ausmachen.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt schon ein großes Angebot an Plus-Size-Marken, dafür muss man sich nur auf dem Messegelände umsehen. Braucht es da ausgerechnet noch eine Anja-Gockel-Kollektion?
Gockel: Ich entwerfe für selbstbewusste Frauen, darunter oft Selbständige, die es zwischen ihren Meetings nicht zum Sport schaffen – und nicht für Frauen, die vorm Fernseher sitzen und Chips essen. Meine Kunden haben das Bedürfnis nach Designerkleidung, in diesem Segment gibt es jedoch kaum welche.

SPIEGEL ONLINE: Das sind auch Kundinnen, die viel Geld für Kleidung ausgeben können.
Gockel: Die Entwürfe kosten im Laden zwischen 129 und 699 Euro. Natürlich war das Finanzielle auch ein Grund, die Kollektion zu machen. Die erste Saison hat da große Hoffnung gemacht. Mir geht es darum, intelligent Nischen zu besetzen.

SPIEGEL ONLINE: Wenn Ihnen so viel daran liegt, dass normalgewichtige Frauen in der Modebranche akzeptiert werden – wäre es da nicht konsequent gewesen, ihre beiden Schauen zu verbinden und auch die Übergrößen-Mode im Fashion-Zelt zu zeigen, statt auf der vergleichsweise winzigen Messe?
Gockel: Ein Schritt nach dem anderen. Das sind zwei verschiedene Kollektionen und zwei verschiedene Zielgruppen. Sicher wäre es wünschenswert, das zu verbinden. Aber ich kann ja nicht die ganze Branche ändern.

Überhöhte Kleider – Übergrößen Kleider